Die Kunst Nein sagen zu können

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N-E-I-N. Eigentlich nur vier Buchstaben. Warum fällt es uns gegenüber der Familie, Freunden oder im Job so schwer sie auszusprechen?

Gestern zum Beispiel war ich bei einer Freundin, die völlig gestresst war. Sie musste die Handwerker reinlassen, etwas für ihren Arbeitskollegen regeln und dann noch die Mutter am Telefon beruhigen. Ich stand da und dachte mir nur „Warum sagt sie nicht etwas? Nein, tut mir Leid, ich habe gerade keine Zeit, ich schaffe es nicht.“ Irgendetwas.

Dann musste ich aber schnell daran denken, dass es mir selbst auch oft so geht. Wenn es um Gefallen für Andere geht – Kuchen mitbringen, noch schnell jene Erledigung dazwischen schieben – und auch bei emotionaler Unterstützung, wenn man Probleme von anderen anhört, die einen dann selber Tage lang belasten. Aber auch zu Einladungen muss man Nein sagen können. Wie oft war ich schon bei einem Treffen oder einer Party eingeladen, super müde und ohne große Lust, nur weil ich nichts verpassen oder  niemanden absagen konnte.

Wenn nun das Osterfest mit der ganzen Familie ansteht, gibt es unzählige solche Situationen. Denn alles MUSS ja perfekt sein. Wenn zum Schluss immer die Gleichen alles geregelt haben, dann aber völlig  fertig und gestresst am Tisch sitzen, dann ist alles perfekt? – Wohl kaum!

Am Tisch fängt dann die weit entfernte Tante auch an die Kinder zu befragen und  „erziehen“ zu wollen. „Jetzt hilf deiner Tante doch mal hoch, geh mal mit mir spazieren…“ Ein – Nein – wird bei Kindern in solchen Fällen noch weniger akzeptiert als von Erwachsenen. Wenn Kinder Nein sagen wird es dargestellt, als wären sie wieder in der Trotzphase. Sie werden meist abgewimmelt und  übergangen. So habe ich es  als  Kind empfunden und auch bei Anderen oft beobachtet. Zu einer guten Erziehung gehört finde ich aber, dass man lernt etwas bewusst abzulehnen. Zu lernen, dass man und – das auch schon als Kind – nicht Jedem gefallen muss.  Das empfinde ich bis heute als sehr schwer. Meine Familie kommt ursprünglich aus einem sehr kleinen Dorf. Da musste man immer den Normen entsprechen. „Was sollen denn die Nachbarn sagen?“ war die Standartfrage für mein schlechtes Gewissen. Wichtig ist aber sich selbst zu gefallen und nicht den Nachbarn! Jungen und auch gerade Mädchen müssen nicht lieb und brav sein!  Dies bereits als Kind zu begreifen erfordert viel Verständnis und Erklärung. Dazu gehört auch, dass  ein Nein insbesondere im Familienrahmen akzeptiert und für voll genommen wird.  Im zweiten Schritt gehört für mich dazu, dass Kinder sogar ermutigt werden Nein zu sagen, und ihre Grenzen aufzeigen. Denn nur wenn schon die Kleinsten  auch in Alltagssituationen ihren Willen zu artikulieren lernen, entwickeln sie das Selbstbewusstsein und den Mut ihre Bedürfnisse auch im Erwachsenenalter zu vertreten.

Und es geht nicht darum, dass wir alle zu egoistischen Biestern werden, die nie einen Gefallen tun. Es geht vielmehr darum, auf sich selbst zu achten. Und seien wir mal ehrlich: Die Welt dreht sich auch ohne uns. Meistens lassen sich die Gefälligkeiten auch ganz anders organisieren zum Beispiel, wenn die Familie mal ganz unkonventionell Pizza zum Fest bestellt. Mag wohl komisch sein, aber durchaus lecker und entlastend.

Aber warum können wir nicht NEIN sagen? Ich glaube der erste wichtige Schritt ist eine Reflektion mit genau dieser Frage! Bei mir ist es wahrscheinlich oft der Gedanke „Ich schiebe es noch schnell dazwischen, ist ja kein Problem“ – Aber doch – ist es halt manchmal! Tiefgreifender Grund ist wahrscheinlich die Angst vor Ablehnung und Zurückweisung. Die Angst vor enttäuschenden Reaktionen der Anderen. Vielleicht auch, dass Andere denken, wir sind nicht kompetent genug die Angelegenheiten zu regeln. Auch diese  Ängste bekommen wir schon unbewusst im Kindeshalter mit – z.B. in der Trotzphase, wenn Eltern natürlich mal genervt reagieren. Diese Situationen sollten Eltern für sich einmal aus Sicht der Kinder durchspielen, versuchen gelassener zu reagieren, und ihren Kleinen erklären, dass ihr „Nein“ als Kind, aber auch „das Genervt sein“der Eltern nicht gleich bedeutet, dass sie nicht mehr geliebt werden.

Wenn wir uns diesen verschieden Verhaltensstrukturen klar werden, können wir auch dagegen angehen. Jeder sollte sich wohl einen eigenen Grund suchen, um unbewusste Ängste besiegen zu können. Denn auf sich selbst zu achten ist wahre Selbstachtung und Selbstvertrauen. Wir sollten unsere Grenzen aufzeigen. Dies macht uns in den Augen der anderen nicht schwach, sondern stark. Und uns selber glücklich und entspannter.

Also..probiert es mal einen Tag lang aus. Habt eine entspannte Woche und denkt daran: gerade beim Osterfest ist weniger Hektik oft mehr. 😉

Eure Michelle

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